#Volatility - Der Anlage-Podcast

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#24: 00:06-7# Hashtag Volatility: Der Anlage-Podcast von Börsen-Zeitung und QC Partners.

#24: 00:16-0# [Lang] Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Ausgabe von Hashtag Volatility. Mein Name ist Christiane Lang, ich bin Redakteurin bei der Börsenzeitung und spreche wie stets mit Thomas Altmann, Partner und Leiter des Portfoliomanagements bei QC Partners. Wir hoffen, dass Sie alle gut und vor allen Dingen gesund ins neue Jahr gestartet sind. Der Corona-Lockdown begleitet uns ja leider weiterhin und deshalb nehmen wir den Podcast heute wieder im Remote Verfahren auf und bitten Sie, die damit verbundene geringfügige Verminderung der Tonqualität zu entschuldigen. Covid-19, die Mutationen und die nun, wenn auch stotternd, angelaufenen Impfungen beschäftigen die Welt. Wir wollen uns heute aber einen anderen Dauerbrenner vornehmen, ein Thema, bei dem jetzt der entscheidende Schritt gelungen ist. Seit 2016 beschäftigt der Brexit Europa. Heiligabend kam überraschend der Durchbruch und die Börsen haben das entsprechend gefeiert. Großbritannien und die EU haben sich auf ein Freihandelsabkommen geeinigt und damit einen ungeordneten Austritt Großbritanniens aus der EU per 31. Dezember vermieden. Das Abkommen ist seit 1. Januar provisorisch in Kraft, denn das EU-Parlament muss noch zustimmen und hat dafür bis Ende Februar Zeit. Das britische Unterhaus hat dem Brexit-Deal bereits am 30. September zugestimmt. Herr Altmann, Großbritannien ist aus Binnenmarkt und Zollunion ausgetreten, aber es gibt weder Zölle noch mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen. Das heißt, Warenströme und Lieferketten werden nicht unterbrochen. Das klingt nach einem eher weichen Brexit. Erste Stimmen sprachen schon davon, dass Großbritannien faktisch im Binnenmarkt verbleibe, aber netto jährlich 6,8 Milliarden Euro Zahlungen an die EU einsparen würde. Was ist an dieser Einschätzung Ihrer Ansicht nach dran?

#24: 01:52-7# [Altmann] Zumindest was den Handel angeht mag diese These in Teilen stimmen. Denn der Handel bleibt ja zollfrei und, wie Sie schon angesprochen haben, auch frei von Mengenbeschränkungen. Allerdings wird der Handel nach vorne natürlich trotzdem von den jetzt notwendigen Zollformularen gebremst. Allerdings ist eine große und entscheidende Säule des Binnenmarktes die Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Und gerade was diese Freizügigkeit angeht, hat sich Großbritannien ja ganz klar dagegen entschieden.

#24: 02:17-4# [Lang] Sie sagen es, eine große und entscheidende Säule der EU ist die Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Die fällt nun für Großbritannien weg. Welche Auswirkung hat das denn?

#24: 02:25-7# [Altmann] Diese Auswirkungen sind tatsächlich erheblich, denn Berufsabschlüsse werden nach vorne nicht mehr automatisch anerkannt. Wohnen und Arbeiten ist nur noch 90 Tage lang ohne Visum möglich, zumindest für Reisen mit einer Reisedauer von weniger als 90 Tagen ist das alles aber unproblematisch.

#24: 02:41-6# [Lang] Wir haben also striktere und weniger strikte Regelungen. Wo ist denn der Brexit Ihrer Meinung nach auf der Skala zwischen hart und weich tatsächlich einzuordnen?

#24: 02:49-0# [Altmann] Der Brexit mit dem jetzt vorliegenden Handelsabkommen ist nicht so hart, wie Boris Johnson ihn vielleicht gerne gehabt hätte oder wie er ihn zumindest immer wieder angedroht hat. Wir haben jetzt aber auch keinen Brexit, der so weich ist, wie die Entwürfe unter Theresa May. Theresa May wollte Großbritannien eine lange Zeit in der Zollunion halten und von daher liegen wir wohl relativ genau in der Mitte zwischen hart und weich.

#24: 03:10-8# [Lang] Wenn wir auf die Schweiz gucken, die Schweiz ist auch nicht in der Zollunion und lebt sehr gut damit. Gibt es für Großbritannien Unterschiede zur Situation mit der Schweiz?

#24: 03:20-5# [Altmann] Was die Finanzdienstleistungen angeht, ist die Schweiz schon da, wo Großbritannien erst noch hinmöchte. Die Schweizer Regeln sind von der EU als gleichwertig anerkannt, und damit hat die Schweizer Finanzindustrie Zugang zum EU-Binnenmarkt. Beim Warenhandel allerdings sieht es für die Schweiz nachteiliger aus. Mit Freihandelsabkommen wurden zwar Zölle auf viele industrielle Produkte abgebaut und für sensible Waren wie Nahrungsmittel gibt es zollbegünstigte Kontingente.

#24: 03:46-3# [Lang] Jetzt muss Boris Johnson den Deal natürlich gut verkaufen und hat davon gesprochen, dass die Briten sich in 47 Prozent der Streitfragen durchgesetzt hätten, die EU nur in 17 Prozent. Kann man hier überhaupt von Gewinnern sprechen?

#24: 03:58-7# [Altmann] Mit allem, was hier auf die Volkswirtschaften auf beiden Seiten des Ärmelkanals zukommt, ist es grundsätzlich schwierig, überhaupt von Gewinnern zu sprechen. Wir haben ein Regelwerk, mit dem zumindest das maximale Leiden vermieden wird. Die Tatsache, dass sich der abgeschlossene Deal ausschließlich auf den Handel bezieht, der für die verbleibenden EU-Staaten besonders wichtig ist, und eben nicht auf die Finanzindustrie oder die Dienstleistungen, die wiederum für Großbritannien von enormer Bedeutung sind, macht es zusätzlich unrealistisch, Großbritannien hier zum großen Sieger der Verhandlungen zu erklären.

#24: 04:29-9# [Lang] Kommen wir dann vielleicht gleich auch zu einem sehr wunden Punkt. Sie haben es angesprochen: Das Thema Dienstleistungen ist noch völlig ungeklärt und das betrifft in besonderem Maße die Finanzdienstleistungen, die für Großbritannien enorm wichtig sind. Die britischen Finanzdienstleister haben am 1. Januar ihre Passporting Rechte verloren, also den ungehinderten Marktzugang in die EU. Was bedeutet das denn jetzt für Banken, Asset Manager, Fondsgesellschaften, Broker und so weiter?

#24: 04:54-3# [Altmann] Kunden mit Sitz in der Europäischen Union können im Moment nicht aus Großbritannien heraus bedient werden. Einen Ausweg bieten hier Tochtergesellschaften mit Sitz in der EU. Klar ist, dass der Finanzstandort London dadurch geschwächt wird. Allerdings dürfen wir auch nicht vergessen, dass nur etwa ein Drittel aller in London getätigten Finanztransaktionen tatsächlich einen Bezug zur EU hat.

#24: 05:15-7# [Lang] Die Briten wollen ja gerne eine äquivalente Entscheidung der EU zum britischen Regelwerk erreichen. Das heißt, die EU soll die britischen Regeln als gleichwertig zu ihren eigenen anerkennen. Bis März wird hierzu eine Grundsatzvereinbarung angestrebt. Wie realistisch ist das denn?

#24: 05:30-1# [Altmann] Die britische Finanzindustrie hofft natürlich, dass es möglichst schnell passieren wird. Wir haben bei den Brexit Verhandlungen aber auch immer wieder gesehen, dass solche Verhandlungen sehr zäh und langwierig werden können. Ich gehe davon aus, dass die EU-Kommission mindestens bis zum Inkrafttreten der neuen EU-Verordnung für Investmentfirmen warten wird. Und die ist, wie Sie eben schon angesprochen haben, im Moment für den März geplant.

#24: 05:51-7# [Lang] Ist denn damit zu rechnen, dass bis dahin Geschäfte aus Großbritannien, zum Beispiel Teile des Aktien- und Derivatehandels, in die EU abwandern werden?

#24: 05:58-6# [Altmann] Zumindest die Teile, die eben für Kunden in der EU gehandelt werden. Und gerade Frankfurt, Paris und auch Amsterdam gehören hier sicherlich zu den Städten, die davon am meisten profitieren. Wie gesagt, beziehen sich in London im Moment auch nur ein Drittel aller Umsätze auf die EU.

#24: 06:14-1# [Lang] Auch wenn es nur um ein Drittel geht, schrumpft der britische Finanzmarkt denn möglicherweise dauerhaft, wenn geltende Übergangsregelungen wie zum Beispiel die für das Derivate Clearing in London in zwei Jahren auslaufen?

#24: 06:24-4# [Altmann] Das ist natürlich möglich, aber auch noch längst nicht sicher. Gerade beim Derivate Clearing ist tatsächlich noch offen, wo der große zentrale Clearing-Standort perspektivisch liegen wird. Möglich wäre hier auch New York, das von den Regeln als EU-äquivalent gilt. Der Finanzstandort London wird sicherlich nicht in die Bedeutungslosigkeit abrutschen. London wird trotz aller Widrigkeiten einer der ganz großen Finanzstandorte weltweit bleiben. Und für London spricht auch, dass die EU mehrere Finanzzentren hat. Damit hat London zwar gleich mehrere Konkurrenten, aber eben nicht diesen einen ganz großen Konkurrenten

#24: 06:57-5# [Lang] Dennoch wird Großbritannien natürlich Maßnahmen ergreifen, um die eigene Wettbewerbsfähigkeit im Finanzsektor zu steigern. Ein Thema ist auch die Steuerneutralität von Anlagefonds, um mit Dublin und Luxemburg mithalten beziehungsweise den beiden Standorten Konkurrenz machen zu können. Was für Maßnahmen sind denn noch denkbar?

#24: 07:15-1# [Altmann] Ja, die von Ihnen angesprochene Steuerneutralität halte ich für sehr wahrscheinlich, um eben gegenüber Luxemburg und vor allem gegenüber Dublin wettbewerbsfähig zu bleiben. Und gerade das Verhältnis zu Dublin wird sich wohl deutlich verändern. Denn nach der Finanzkrise hat Großbritannien das irische Wachstum unterstützt und in Zukunft wird Großbritannien in Form von London sicherlich deutlich härter mit Irland und den Finanzstandort Dublin konkurrieren.

#24: 07:38-8# [Lang] Das heißt also die Finanzdienstleistungen als sehr wichtige Branche sind stark im Fokus, hier wird sich noch einiges tun. Kommen wir jetzt mal zu den realwirtschaftlichen Branchen. Sie sagten schon, dass der Brexit-Deal für den Handel nicht so hart ist, wie von Johnson ursprünglich gewollt. Wie sehen denn jetzt die Auswirkungen für die einzelnen Branchen wie Automobilindustrie, Spediteure oder Luftfahrt aus? Und natürlich vielleicht auch die Fischer, die waren ja besonders im Fokus zuletzt.

#24: 08:03-1# [Altmann] Das stimmt. Den Fischern ist wahnsinnig viel Aufmerksamkeit zuteil geworden. Das liegt aber weniger an der Bedeutung der Fischereiindustrie, sondern vielmehr daran, dass bei eben diesem Thema der letzte Kompromiss gefunden wurde. Und nach diesem Kompromiss müssen die Fischer aus der EU zukünftig dann auch auf etwa 25 Prozent ihres Fangs verzichten.

#24: 08:21-5# [Lang] Das ist natürlich viel weniger als der von Johnson ursprünglich angestrebte Anteil. Dennoch, die Automobilindustrie und die Luftfahrtbranche haben für uns eine viel größere Bedeutung. Wie sieht es denn hier aus?

#24: 08:33-5# [Altmann] Die gute Nachricht für die Automobilindustrie ist, dass Autoimporte zollfrei bleiben. Fertigprodukte müssen allerdings künftig zu mindestens 60 Prozent aus Teilen aus Großbritannien und der EU bestehen, um die Kriterien für die Zollfreiheit zu erfüllen. Und diese Regelung könnte gerade für in Großbritannien gefertigte Elektroautos zum Problem werden und die Zollfreiheit eben dieser Elektroautos gefährden. Was die Luftfahrt angeht, können britische Fluggesellschaften die Flughäfen der EU weiterhin anfliegen. Allerdings dürfen britische Fluggesellschaften keine Flüge mehr innerhalb der EU anbieten. Hier bleibt als einziger Ausweg die Gründung von Tochtergesellschaften, die ihren Sitz dann wiederum in der EU haben.

#24: 09:12-8# [Lang] Und wenn wir uns zuletzt vielleicht nochmal die Spediteure anschauen. Es gab medienwirksame Bilder von Lkw Staus nach den Grenzschließungen vor Weihnachten im Zusammenhang mit dem Auftauchen der Corona-Mutation, was durchaus erschreckend war.

#24: 09:25-6# [Altmann] Das ist richtig. Die gute Nachricht für Spediteure ist, dass der Ärmelkanal weiterhin problemlos überquert werden kann. Die Probleme kommen dann allerdings nach der Überquerung. Erlaubt ist jetzt nur noch ein einmaliges Auf- und Abladen. Zuvor waren hier drei Stopps erlaubt. Und die Staus durch die Zoll- und Grenzkontrollen werden in Zukunft nicht ausbleiben. Dazu kommen die trotz der Zollfreiheit notwendigen Zolldokumente, die den Handel über den Ärmelkanal in Zukunft deutlich aufwendiger werden lassen.

#24: 09:53-4# [Lang] Also die Staus bleiben, neue Dokumente sind notwendig und die EU hat ja gleich schon am 1. Januar mit den Zollkontrollen begonnen, während Großbritannien das schrittweise bis Juli einführen möchte. Viele Unternehmen werden nicht vorbereitet sein, es fehlen Zollexperten und ob die IT-Systeme zur Grenzabfertigung so reibungslos funktionieren muss man auch noch sehen. Ist es denkbar, dass Unternehmen ihre Lieferketten langfristig neu ausrichten werden, wenn es länger anhaltende Störungen geben sollte? Denn die Lieferketten ändern sich ja bereits seit dem Referendum 2016.

#24: 10:23-1# [Altmann] Möglich ist, dass auf jeden Fall und erste Unternehmen in der Automobilindustrie haben ja auch schon überlegt, Teile ihrer Produktion aus Großbritannien heraus in die EU zu verlagern. Ich denke, dass viele jetzt die ersten Monate abwarten werden und die Situation dann neu bewerten. Unternehmen sind grundsätzlich bemüht, ihre Lieferketten so effizient wie möglich zu gestalten. Und das könnte eben perspektivisch besser gelingen, wenn die britische Insel nicht Teil diese Lieferkette ist.

#24: Welche Waren werden denn vor allen Dingen zwischen Großbritannien und der EU gehandelt?

#24: Den Schwerpunkt bilden hier Autos, Maschinen, Pharma und Medizin und für den britischen Export in die EU zusätzlich Erdöl.

#24: Und wie realistisch ist es, dass Großbritannien versucht, möglicherweise Dumping zu betreiben?

#24: Gänzlich ausschließen können wir das natürlich nicht. Da die britischen Unternehmen aber kostendeckend arbeiten müssen, gehe ich davon nicht unbedingt aus. Und ein weiterer Punkt, der dagegenspricht, sind die gegenseitigen Sanktionsmöglichkeiten. Denn weder Großbritannien noch die EU dürfen Interesse an einem ausgewachsenen Handelskrieg haben.

#24: Wie wirkt sich denn das Abkommen auf die EU letztlich aus? Sie verliert immerhin ein Sechstel ihrer Volkswirtschaft.

#24: Das stimmt, die EU wird deutlich kleiner. Ich denke aber auch, dass die verbleibende EU durch den Brexit deutlich enger zusammengerückt ist.

#24: Wenn man jetzt mal auf die Importe und Exporte schaut, wie teilen die sich auf und was wird sich möglicherweise verändern?

#24: 2019 hat Großbritannien Waren im Gegenwert von 304 Milliarden Euro aus der EU importiert und im Gegenzug Waren im Gegenwert von 194 Milliarden in die EU exportiert. Wie sich diese Zahlen verändern werden, das wird man sehen.

#24: Lang] Aber die Richtung hat sich schon angezeigt. Die Exporte von Deutschland nach Großbritannien sinken bereits seit dem Referendum 2016. Wird es so weitergehen?

#24: Das ist durchaus möglich, denn mit den aktuellen Umstellungen und den neuen Zollformalitäten ist ein weiteres Sinken des Handelsvolumens nicht unwahrscheinlich. Großbritannien ist ja bei den wichtigsten Handelspartner Deutschlands in den vergangenen drei Jahren bereits von Platz fünf auf Platz sieben abgerutscht. Und ein weiteres Abrutschen ist hier durchaus im Bereich des Möglichen.

#24: Und das wirkt sich auf das Wirtschaftswachstum aus.

#24: Grundsätzlich sind sinkende Handelsvolumina natürlich nie gut für das Wachstum. Allerdings haben Deutschland und auch die anderen EU-Staaten den Handel mit anderen Ländern wie China im gleichen Zeitraum deutlich ausgeweitet. Und von daher bedeuten niedrigere Handelsvolumina mit Großbritannien nicht automatisch auch ein niedrigeres Wachstum.

#24: Wie schätzen Sie denn die Auswirkungen auf den Euro ein?

#24: Für den Wert des Euro ist der Handel mit Großbritannien nur einer von ganz vielen Einflussfaktoren. Da spielen natürlich auch die Handelsbilanzen mit allen übrigen Handelspartnern eine Rolle und ganz besonders natürlich die Geldpolitik der EZB, um jetzt nur ein paar diese Einflüsse zu nennen.

#24: Und wenn wir jetzt einmal umgekehrt auf die Auswirkungen auf Großbritannien schauen, wie sieht es da aus?

#24: Die EU ist für Großbritannien der mit Abstand wichtigste Handelspartner und wie wir schon diskutiert haben kann der Handel hier weiterlaufen, auch wenn die neuen Zollformalitäten sicherlich bremsen werden. Darüber hinaus dürfte für die Entwicklung der britischen Wirtschaft entscheidend sein, wie schnell Großbritannien Freihandelsabkommen mit weiteren wichtigen Handelspartnern, wie beispielsweise den USA, schließen kann. Und dann wird natürlich entscheidend sein, wie sich die britischen Handelsbedingungen von denen der EU- Staaten unterscheiden.

#24: Bisher haben die Briten ihre Importe aus der EU mit Exporten zu einem großen Teil durch den Export von Finanzdienstleistungen finanziert. Werden Sie sich jetzt stärker im Ausland verschulden?

#24: Das ist durchaus möglich. Und dass sich der Handelssaldo Großbritanniens mit der EU noch tiefer in die roten Zahlen verschieben wird, ist ebenso nicht unwahrscheinlich.

#24: Und das wird auf das Pfund drücken.

#24: 13:55-3# [Altmann] Das kann sein, muss aber auch nicht zwingend sein. Denn zum einen hat das Pfund seit dem Referendum schon mehr als 20 Prozent zum Euro verloren. Da ist also auch schon einiges eingepreist. Und dann gibt es da noch andere Kräfte, die in die gegenteilige Richtung wirken. Beispielsweise hat Großbritannien höhere Zinsen, die wiederum Anleger anlocken und damit das Pfund stärken könnten. Was sich hier am Ende durchsetzt werden wir in Zukunft sehen. Die implizite Volatilität des Pfundes deutet zumindest nicht auf übermäßige Schwankungen in den kommenden zwölf Monaten hin.

#24: 14:24-3# [Lang] Was bedeutet das Abkommen denn für das britische Wirtschaftswachstum?

#24: 14:28-3# [Altmann] Der Brexit an sich kann natürlich gar nicht positiv für das Wachstum sein. Mit dem jetzt vorliegenden Abkommen kann der Schaden aber wohl zumindest so gering wie überhaupt möglich gehalten werden.

#24: 14:39-3# [Lang] Die ersten Reaktionen aus der Wirtschaft auf den Brexit-Deal waren auch eher verhalten und reichten von Anmerkungen wie „Unter allen Lösungen noch die beste“, bis „Es gibt, nichts groß zu bejubeln“. Die meisten sind sich wohl einig, dass der Brexit schlecht für beide Seiten ist. Die ersten Marktreaktionen dagegen waren extrem positiv.

#24: 14:59-2# [Altmann] Das stimmt. Im ersten Moment haben wir an den Börsen eine riesige Erleichterung gesehen. Erleichterung eben darüber, dass der so gefürchtete No-Deal-Brexit damit vom Tisch ist. Ob dieser Freudensprung am Aktienmarkt allerdings tatsächlich nachhaltig ist, das muss die Zukunft erstmal zeigen.

#24: 15:13-9# [Lang] Und wenn wir jetzt mal versuchen, einen Blick in die Zukunft zu werfen oder eine Ahnung zu bekommen, was sagen denn die Volatilitäten aus, die zeigen ja immer die Richtung.

#24: 15:21-9# [Altmann] Das ist tatsächlich interessant. Und wenn wir hier mal weiter zurückgehen, dann sehen wir das in den fünf Jahren vor dem Brexit Referendum die durchschnittliche Volatilität des Dow Jones EURO STOXX 50 mehr als vier Punkte höher war als die des britischen FTSE 100. In den letzten drei Jahren lag dieser Unterschied nur noch bei einem Prozent, im Moment sogar nur noch bei einem halben Prozent. Und das hat eine ganz klare Bedeutung. Relativ zur Eurozone haben die Risiken am britischen Aktienmarkt seit dem Referendum kontinuierlich zugenommen und ein Ende dieser Entwicklung ist im Moment noch nicht in Sicht.

#24: 15:54-5# [Lang] Sie sagen, die Risiken sind da, und sie steigen. Ein Risiko sind auch potenzielle Handelskonflikte zwischen der EU und Großbritannien. Das haben wir vorhin auch schon mal kurz angesprochen. Was würde denn dann passen? Immerhin eröffnet das Abkommen die Möglichkeit Strafzölle zu verhängen, wenn sich eine Seite unfaire Wettbewerbsbedingungen verschafft.

#24: 16:12-1# [Altmann] Das ist vollkommen richtig. Diese Möglichkeit durch Strafzölle gibt es. Ich rechne allerdings nicht mit einer kurzfristigen Anwendung. Denn gerade zum aktuellen Zeitpunkt hat wohl keine Seite ein Interesse daran, den zusätzlich noch von Covid-19 gebeutelten Wirtschaften noch weiteren Schaden zuzufügen.

#24: 16:29-7# [Lang] Für wie stabil halten Sie eigentlich das ganze Abkommen?

#24: 16:31-1# [Altmann] Stabil dürfte es wohl seien. Zumindest ab dem Zeitpunkt, ab dem auch das Europaparlament zugestimmt hat. An vielen Stellen ist das jetzige Abkommen allerdings mit Sicherheit erst der Anfang, auf den weitere Verhandlungen und dann eben auch weitere Abkommen folgen werden.

#24: 16:45-7# [Lang] Wie stabil ist das Abkommen, wenn man es unter dem Zwitterstatus Nordirlands betrachtet? Denn Nordirland ist ja zugleich Teil des britischen und europäischen Binnenmarktes, was die wirtschaftliche Integration zwischen Nordirland und der Republik Irland beschleunigen könnte. Nordirische Unternehmen können stärker mit irischen Unternehmen handeln, um eben die zusätzliche Bürokratie mit dem britischen Festland zu vermeiden. Und damit könnten natürlich auch Rufe nach einer Vereinigung von Nordirland und Irland lauter werden.

#24: 17:12-2# [Altmann] Ja, das ist tatsächlich einer der ganz spannenden Teile dieses Brexits. Auch ich gehe davon aus, dass die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Irland und Nordirland in Zukunft deutlich intensiver werden. Klar ist, dass Nordirland 2016 mehrheitlich für einen Verbleib Großbritanniens in der EU gestimmt hat. Rufe nach einer Wiedervereinigung zwischen Irland und Nordirland dürften in London allerdings nicht allzu willkommen sein. Denn London will Nordirland sicherlich nicht an Irland und an die EU verlieren. Und auch wenn Sie jetzt nicht explizit danach gefragt haben, auch die Schotten haben 2016 mehrheitlich für einen Verbleib in der EU gestimmt. Mit dem Brexit wird damit ein neues Unabhängigkeitsreferendum wieder wahrscheinlicher. Und im Erfolgsfall könnte Schottland im Anschluss dann tatsächlich in die EU zurückkehren. Aus Londoner Sicht gibt es hier also gleich zwei Länder, die dem Vereinigten Königreich perspektivisch abtrünnig werden könnten.

#24: 18:03-9# [Lang] Das wäre für Großbritannien natürlich eine extrem negative Konsequenz des Brexits und zeigt, dass uns das Thema trotz des an Heiligabend vereinbarten Freihandelsabkommens vermutlich noch lange beschäftigen wird. Vieles ist noch ungeklärt, zum Beispiel das sehr wichtige Thema der Finanzdienstleistungen und insgesamt sehen die Börsianer nach der ersten großen Erleichterung über den Deal steigende Risiken für den britischen Aktienmarkt, was sich eben in der Volatilitätsentwicklung ausdrückt. Also der Deal ist da, aber es bleibt, wie Sie sagen, Herr Altmann weiterhin sehr spannend. Herr Altmann, ich danke Ihnen sehr herzlich für die interessanten Ausführungen und Einschätzungen. Und von Ihnen, liebe Hörerinnen und Hörer, verabschieden wir uns für heute. Die nächste Episode von Hashtag Volatility kommt am 20. Januar. Bereits am kommenden Freitag, am 8. Januar um sieben Uhr, startet der Podcast Sieben Tage Märke, die Wochenvorschau der Börsenzeitung, ins neue Jahr. Bis dahin, alles Gute.

#24: Bleiben Sie gesund.