#Volatility - Der Anlage-Podcast

#Volatility - Der Anlage-Podcast

Transkript

Zurück zur Episode

#42: 00:06-6# Hashtag Volatility der Anlage Podcast von Börsen-Zeitung und QC Partners

#42: 00:17-0# (Bui): Bundestagswahl Geldpolitik, DAX Reform. Zuletzt hatten wir beim Podcast Hashtag Volatility viele große und gewichtige Themenkomplexe behandelt. Heute wollen wir uns mit einem Thema befassen, dass im Vergleich vielleicht etwas untergegangen ist, aber dennoch große Relevanz für die Märkte hat - nämlich die Unternehmensgewinne und damit begrüße ich sie herzlich zu einer neuen Episode von Hashtag Volatility, dem Anlage Podcast von Börsen-Zeitung und QC Partners. Mein Name ist Franz Cong Buí, und mein Gesprächspartner, mit dem ich über die Lage bei den Unternehmen sprechen werde, ist wie stets Thomas Altmann Head of Portfolio Management bei QC Partners. Herr Altmann, der DAX hat im August erstmals die 16.000 Punkte-Marke überschritten. Damit übertrifft er sein Vor-Pandemie-Hoch um etwa 2000 Punkte. Das ist doch sehr bemerkenswert. Ist diese Rallye von soliden Unternehmensgewinnen untermauert oder würden Sie sie eher als Luftschloss bezeichnen?

#42: 01:08-5# (Altmann): Schauen wir genauer auf die Entwicklung der Unternehmensgewinne beim DAX. Und ich schaue hier gerne auf die Gewinne der vergangenen zwölf Monate, um saisonale Effekte zu umgehen. Die Gewinne sind im vergangenen Jahr stark eingebrochen, lagen aber in der zwölf Monats-Betrachtung zu jedem Zeitpunkt oberhalb der Null-Linie. Im laufenden Kalenderjahr ging es dann deutlich nach oben. Und tatsächlich hat der DAX seinen Vor-Pandemie-Gewinnrekord als im Jahr 2018 ziemlich genau eingestellt. Der Gewinn je Aktie beziehungsweise in diesem Fall müsste man wohl eher vom Gewinn je Index sprechen, der lag gerade mal 0,0006 Prozent unter diesem Allzeithoch.

#42: 01:45-7# (Buí): Moment, da muss ich kurz einhaken, Sie sagen jetzt also wir haben identische Gewinne, aber ein um 2000 Punkte beziehungsweise 16 Prozent höheren DAX. Das stimmt mich nicht gerade optimistisch.

#42: 01:56-3# (Altmann): Einen Punkt müssen wir hier natürlich berücksichtigen, dass der DAX einen Performance-Index ist, der die Dividendenzahlungen berücksichtigt. Fair ist an dieser Stelle ein Blick auf den reinen Kursindex. Hier sprechen wir tatsächlich nur über einen Anstieg um fünf Prozent vom Vor-Pandemie-Hoch aus dem Jahr 2018.

#42: 02:13-6# (Buí): Okay, das rückt das jetzt ins rechte Licht. Nun umfasst, der DAX lediglich die 30 größten beziehungsweise in wenigen Tagen die 40 größten Werte. Wie sieht es bei der Gewinnentwicklung der kleineren Unternehmen aus?

#42: 02:25-0# (Altmann): Da sehen wir riesige Diskrepanzen. Zum einen schon an dem Punkt, dass sie im MDAX enthaltenen Unternehmen auf aggregiert der Basis neun Monate lang unterhalb der Null-Linie lagen. Mittlerweile haben sich zwar ein gutes Stück erholt und den Null-Linie wieder überschritten. Zum Rekord aus dem Jahr 2018 fehlen hier aber noch immer mehr als 80 Prozent.

#42: 02:51-6# (Buí): Und dennoch stellte MDAX mit seiner Performance im DAX noch in den Schatten oder?!

#42: 02:52-0# (Altmann): Das ist vollkommen richtig. Der Performance MDAX übertrifft sein vor Pandemie hoch um 24 Prozent und damit etwa acht Prozent mehr als der DAX. Und auch im laufenden Kalenderjahr hat sich der MDAX bis zum jetzigen Zeitpunkt etwas besser entwickelt.

#42: 03:02-6# (Buí): Aber da dürften die Bewertungsdifferenzen zwischen DAX und MDAX entsprechend groß sein.

#42: 03:06-0# (Altmann): Genauso ist es auch. Der DAX hat aktuell ein Kurs Gewinn-Verhältnis von 18. und damit legt der recht exakt auf dem Durchschnittswert der Jahre 2015 bis 2019, also fünf Jahre vor der Pandemie. Hier lag es im Mittel ebenfalls bei 18. Beim MDAX liegt dieser Vor-Pandemie-Fünfjahresdurchschnitt ebenfalls bei 18. Allerdings haben wir hier aktuell ein Kurs/ Gewinn-Verhältnis von 127.

#42: 03:30# (Buí): Diese Zahlen sind beeindruckend und beängstigend zugleich. Ich gehe davon aus, dass die Anlegerinnen und Anleger hier mit deutlichen Gewinnanstiegen rechnen.

#42: 03:39-0# (Altmann): Das ist definitiv so, und das ist aber auch beim DAX Zerfall. Erwartet wird beim DAX ein Anstieg des Gewinns pro Aktie um weitere 24 Prozent - und damit hätten wir dann auch tatsächlich einen neuen Rekordgewinn. Beim MDAX ist die Situation etwas anders. Hier ist ein Anstieg des Gewinns je Aktie beziehungsweise hier Index um 360 Prozent eingepreist. Damit lägen die Gewinne aber dann immer noch 27 Prozent unterhalb des historischen Rekordes.

#42: 04:03-9# (Buí): Schauen wir mal über Deutschland hinaus wie sieht es in der Euro-Zone aus? Welche Situation haben wir dort- eher DAX oder eher MDAX?

#42: 04:12-1# (Altmann): Nehmen wir hier den DJ EUROSTOXX 50 als Datenbasis. Naturgemäß sprechen wir bei diesem Index von den Large Caps. Und dennoch haben wir in der Euro-Zone als Ganzes noch einmal eine vollkommen andere Situation. Denn das historische Gewinn-Hoch stammt hier nicht aus dem Jahr 2018, sondern von Anfang 2008. Hinter diesem liegen wir aktuell 45 Prozent zurück. Zum Topwert aus der Zeit nach der Finanzkrise fehlen uns immer noch 15 Prozent.

#42: 04:39-4# (Buí): Das klingt ja zunächst einmal nicht berauschend. Wie stark haben sich die Gewinne hier denn erholt?

#42: 04:44-4# (Altmann): Positiv möchte ich noch vorausschicken, dass beim Dow Jones EuroStoxx50 genauso wie auch beim DAX die Zwölf-Monats-Gewinne der Unternehmen nicht unter die Nulllinie gefallen sind. Und vom Tiefpunkt weg sprechen wir hier über einen Anstieg um 180 Prozent, also beinahe eine Verdreifachung.

#42: 05:00-9# (Buí): Jetzt möchte ich natürlich wissen, mit welcher Entwicklung die Börsianer hier rechnen.

#42: 05:04-1# (Altmann): Erwartet wird hier ein weiterer Anstieg der Gewinne je Aktie um 27 Prozent. Das entspricht mehr oder weniger der Erwartung, die wir auch beim DAX gesehen haben. Und das wäre dann gleichbedeutend mit den höchsten Unternehmensgewinnen seit dem Jahr 2011.

#42: 05:18-0# (Buí): Okay, bevor wir gleich andere Kontinente ins Blickfeld nehmen, interessiert mich aber noch etwas anderes. Wie sieht es denn in den einzelnen Branchen aus? Es ist davon auszugehen, dass die Unterschiede da riesig sind.

#42: 05:28-7# (Altmann): Mit der Vermutung legen Sie auch vollkommen richtig bleiben wir für diese Betrachtung in der Euro-Zone und schauen auf die Branchen Indizes des Dow Jones Euro Stoxx50 in zwei Sektoren sehen wir hier neue Rekordgewinne, und das sind die Autobauer und der Einzelhandel. Die Versicherer haben zuletzt so viel Geld verdient wie seit 2008 nicht mehr. Dagegen liegt die Reisebranche immer noch unterhalb der Null-Linie. Ich denke auch das ist nicht überraschend. Besonders weit von ihren historischen Rekorden sind außerdem die Öl- und Gasindustrie sowie der Gesundheitssektor entfernt.

#42: 06:00-0# (Buí): Dann wagen wir jetzt einen Blick nach Asien. Wie haben sich die Unternehmensgewinne in Fernost entwickelt?

#42: 06:06-7# (Altmann): Starten wir hier in Japan. Hier sehen wir ein sehr schönes Gewinnwachstum. Die aggregierten Unternehmensgewinne der im Nikkei 225 enthaltenen Unternehmen lagen zuletzt 20 Prozent über ihrem Vor-Pandemie-Hoch aus dem Jahr 2018

#42: 06:19-0# (Buí): Und sieht das in anderen asiatischen Ländern ähnlich aus?

#42: 06:22-7# (Altmann): Besonders spannend ist hier Hongkong beim Hang Seng Index sind wir bei den Gewinnen sechs Prozent unter dem 2018 Level. Ungeachtet dessen ist der Index zeitweise 21 Prozent unter seinem Jahreshoch aus dem Februar gestürzt. Und das wiederum bedeutet, dass das historische KGV zeitweise unter zehn lag, dass erwartete Kurs-Gewinn-Verhältnis bei gut elf. Noch spannender ist, dass der Hang Seng Index im August zeitweise unterhalb seines Buchwertes gehandelt wurde.

#42: 06:50-8# (Buí): Gut dann schauen wir jetzt auch noch in die USA. Und bevor wir gleich auf die ganz großen Unternehmen zu sprechen kommen, möchte ich ganz gezielt nach den kleineren Fragen. Hinken die kleineren Unternehmen bei der Gewinndynamik, den ähnlich hinterher wie die MDAX-Unternehmen in Deutschland.

#42: 07:03-9# (Altmann): Ja, das lässt sich tatsächlich durchaus vergleichen. Schauen wir hier auf die Unternehmen des Russell 2000. Zwischenzeitlich sind diese, wie er auch die MDAX-Unternehmen in die Verlustzone gerutscht. Davon haben sich mittlerweile erholt, aber die Gewinne sind noch immer fast 60 Prozent niedriger als im Jahr 2019.

#42: 07:21-5# (Buí): Dass die Gewinne der großen US-Technologieunternehmen im Gegensatz dazu besonders stark angestiegen sind, ist allgemein bekannt. Doch wie stark war der Anstieg?

#42: 07:29-5# (Altmann): Die NASDQ 100 Unternehmen übertreffen ihr Vor-Pandemie-Hoch um 30 Prozent. Bei den S&P 500-Unternehmen sind es immer noch zehn Prozent.

#42: 07:38-2# (Buí): Wenn ich auf die Performance des S&P 500 seit Jahresbeginn schaue, dann habe ich den Eindruck, dass die Kurse deutlich schneller gestiegen sind als die Gewinne.

#42: 07:45-6# (Altmann): Dem kann ich tatsächlich nicht widersprechen. Der S&P 500 übertrifft seinen Vorkrisen-Rekord mittlerweile um 33 Prozent, während die Gewinne nur zehn Prozent höher stehen als vor der Pandemie. In den kommenden zwölf Monaten trauen Anleger und Analysten denn S&P-Unternehmen eine Gewinnsprung um weitere 23 Prozent zu. Der dürfte den aktuellen Kursen aber bereits voll umfänglich eingepreist sein.

#42: 07:10-2# (Buí): Es klingt, als müssten wir uns insbesondere in den USA sorgen um die Bewertung machen.

#42: 07:15-6# (Altmann): Lassen wir hier die Zahlen sprechen. Das historische Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt aktuell bei 27. In den fünf Jahren vor der Pandemie stand es im Durchschnitt bei 20 und der Vor-Pandemie-Durchschnitt beim erwarteten KGV liegt bei 18. Im Moment stehen wir hier bei 22.

#42: 08:31-1# (Buí): Nach dem Kurs/ Gewinn-Verhältnis ist der S und P 500 also deutlich teurer bewertet als in der Vergangenheit. Ergibt es denn Sinn, auf weitere Bewertungskennzahlen zu schauen?

#42: 08:40-0# (Altmann): Das macht definitiv Sinn. Besonders interessant ist hier das Kurs-Buchwert-Verhältnis mit einem Wert von 4,7 sehen wir hier die teuerste Bewertung seit dem Jahr 2000, als es seit dem Platzen der High-Tech-Blase

#42: 08:53-0# (Buí): Oh, das klingt jetzt wirklich besorgniserregend. Nun heißt unser Podcast ja Hashtag Volatility. Was sehen Sie, wenn Sie auf die implizite Volatilität schauen?

#42: 09:02-2# (Altmann): Ja, bleiben wir hier beim S&P 500 und vergleichen, wer die implizite Volatilität für eine kurze Laufzeit von einem Monat mit einer längeren Laufzeit von einem Jahr. Jetzt im September 2021 hat die Volatilität-Struktur-Kurve in diesen Laufzeitbereich die stärkste Steilheit seit dem Jahr 2012 erreicht. Die ein Jahres Volatilität liegt hier siebeneinhalb Prozent über einen Monat Volatilität. Dem steht seit 2012 ein durchschnittlicher Aufschlag von 3,2 Prozent, also weniger als der Hälfte gegenüber.

#42: 10:34-5# (Buí): Und was bedeutet das, was schließen Sie daraus?

#42: 09:37-7# (Altmann): Derivatehändler erwarten ganz klar ein Ende des ruhigen Marktes. Auf der Volatilität Seite werden hier deutlich zunehmende Schwankungen eingepreist, und dass diese häufig mit Kursverlusten einhergehen, sollte niemanden überraschen. Vereinfachen darf man diese extreme Steilheit der Volatilität Struktur Kurve also durchaus als Schwankungen voraus oder sogar als Alarmstufe Rot deuten und die ersten stärkeren Bewegungen? Die sehen wir ja auch schon an den Märkten.

#42: 10:03-5# (Buí): Okay, die Volatilität deutet also auf herausfordernde Zeiten hin. Welche konkreten Ereignisse könnten die Stimmung am Markt den kippen?

#42: 10:10-7# (Altmann): Zunächst sind die genannten hohen Bewertungen, der schon ein immenses Risiko, dass das Sentiment jederzeit kippen kann. Dazu wird immer deutlicher, dass die Zeit der ultralockeren Geldpolitik allmählich zu Ende geht. Und auch Covid-19 können wir als Risiko noch nicht „ad acta“ legen. Und wenn wir gezielt auf Deutschland schauen, stehen wir unmittelbar vor der Bundestagswahl, die zu einer neuen Regierung führen wird und welche das sein wird ist zum jetzigen Zeitpunkt noch vollkommen offen.

#42: 10:37-6# (Buí): Mit der Bundestagswahl werden sicher wahrscheinlich in der kommenden Episode unseres Podcasts befassen. Die erscheint ja dann nur wenige Tage nach dem Urnengang zu dieser historischen Wahl. Bis dahin halten wir erst mal fest. Der Blick auf die Gewinne der börsennotierten Unternehmen zeigt zwar einerseits hohe Erwartungen, lässt andererseits aber auch einige Unruhe an den Kapitalmärkten erahnen. Damit danke ich Ihnen halt man für die wie stets erhellenden Einsichten in das, was die Finanzmärkte derzeit besonders umtreibt. Und ich bedanke mich bei unseren Zuhörerinnen und Zuhörern für Ihr Interesse. Am Freitag um sieben Uhr morgens erscheint übrigens wieder eine neue Folge von „Sieben Tage Märkte - die Wochenvorschau der Börsen-Zeitung“ zum Hören auf allen gängigen Podcast-Plattformen. Weitere Informationen dazu finden Sie in der Show. Und in zwei Wochen kommt, wie erwähnt, die nächste Episode von Hashtag Volatility, dann mit meiner Kollegin Christiane Lang und einen Blick auf die Ergebnisse der Bundestagswahl und die Auswirkungen auf die Kapitalmärkte. Bis dahin wünsche ich Ihnen, Herr Altmann sowie auch unseren Zuhörerinnen und Zuhörer weiterhin alles Gute und vergessen Sie nicht, jede Stimme zählt. Vielen Dank und bis zum nächsten Mal.