#Volatility - Der Anlage-Podcast

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#30: 00:06-7# Hashtag Volatility: Der Anlage-Podcast von Börsen-Zeitung und QC Partners.

#30: 00:14-2# [Bùi] Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, ich begrüße Sie herzlich zu einer neuen Episode von Hashtag Volatility, dem Anlage-Podcast von Börsen-Zeitung und QC Partners. Mein Name ist Franz Công Bùi und ich bin Redakteur der Börsen-Zeitung. Und mein Gesprächspartner ist wie stets Thomas Altmann, Leiter des Portfoliomanagements von QC Partners. Heute befassen wir uns mit einem Thema, das in den letzten Wochen für viel Furore gesorgt hat: die sogenannte Special Purpose Acquisition Company, kurz SPAC. Ein Trend, der zunächst am US-Kapitalmarkt zu beobachten war, zuletzt deutlich verstärkt wurde und sich auch in Europa Bahn bricht. Während 2019 lediglich 59 SPACs an den Börsen in den USA gelistet wurden, waren es 2020 bereits knapp 250, die insgesamt Emissionserlöse von über 80 Mrd. Dollar erzielten. Herr Altmann, was hat es mit diesem Börsengang-Vehikel auf sich, was ist das Besondere daran?

#30: 01:06-5# [Altmann] Ein SPAC ist zum Zeitpunkt des Börsengangs ein leerer Unternehmensmantel. In diesen leeren Mantel soll dann zu einem späteren Zeitpunkt ein Unternehmen schlüpfen und das bedeutet eben, dass die Anlegerinnen und Anleger zum Zeitpunkt des Börsenganges nicht wissen, in welches Unternehmen sie investieren.

#30: 01:23-1# [Bùi] Und was passiert zunächst mit den beim IPO eingesammelten Geldern?

#30: 01:26-6# [Altmann] Bis tatsächlich ein Unternehmen übernommen wird, liegen die Emissionserlöse auf einem Treuhandkonto und dürfen solange nur in sichere Anlagen investiert werden.

#30: Und wer entscheidet, welches Unternehmen den leeren Mantel füllen darf?

#30: Die Initiatoren des jeweiligen SPACs suchen ein Unternehmen aus, dass sie zur Investition vorschlagen. Bevor das Unternehmen dann in den Mantel schlüpfen kann, müssen die Aktionäre auf der Hauptversammlung zustimmen. Daran sehen wir jetzt schon, dass ein SPAC grundsätzlich drei Interessengruppen hat. Die Initiatoren, das Unternehmen und die Anleger. Zusätzlich anfangs natürlich die Banken, die den IPO begleiten.

#30: Dann gehen wir die unterschiedlichen Gruppen doch mal im Detail durch. Starten wir mit den Initiatoren.

#30: Sehr gerne. Wie der Name schon sagt, initiieren die Initiatoren den SPAC. Sie kümmern sich darum, Geld für den Zweck einzusammeln und sie organisieren auch den IPO-Prozess. Da sie diesen Prozess auch bezahlen, werden sie häufig auch als Sponsoren bezeichnet. Nach dem IPO-Prozess sind sie für die Auswahl beziehungsweise eben den Vorschlag, des zu übernehmenden Unternehmens verantwortlich. Für dieses Paket an Dienstleistungen erhalten sie in der Regel etwa 20 Prozent der Aktien am SPAC kostenlos.

#30: Ok. Kommen wir zur 2ten Gruppe, den Unternehmen. Worin liegt für die der Reiz, in einen SPAC zu schlüpfen?

#30: Ein Unternehmen kann den Weg an die Börse dadurch deutlich abkürzen. Der zeitaufwendige IPO-Prozess fällt weg. Dazu sparen sich die Unternehmen den auch nicht ganz billigen IPO-Prozess der Investmentbanken. Und vor allem kommen die Unternehmen damit an zusätzliches Kapital.

#30: Gut, und die dritte Gruppe ist die der Anleger. Was finden diese an SPACs besonders spannend?

#30: Anleger können sich an Unternehmen dadurch deutlich früher beteiligen als das zum klassischen IPO-Zeitpunkt der Fall wäre. Und das mit viel kleineren Stückelungen als beispielsweise bei Private Equity Investments. Und so frühe Beteiligungen bieten natürlich entsprechend hohe Renditechancen, wenn auch bei gleichzeitig hohem Investmentrisiko. Denn zum Investment Zeitpunkt wissen die Anleger nicht, was sie genau kaufen.

#30: Okay, darauf kommen wir noch einmal zurück. Aber kurz möchte ich noch nach der vierten Gruppe fragen, den Banken.

#30: Ja, die Banken, die die Börsengänge begleiten, verdienen an der durch die SPACs zunehmende Zahl an IPOs. Übrigens hat es die Deutsche Bank durch die vielen Börsengänge von SPACs wieder unter Top Ten der größten IPO-Banken weltweit geschafft.

#30: 03:40-1# [Bùi] Das ist beachtlich. Aber wie gesagt, will ich den Fokus heute vielleicht weniger auf die Banken legen. Kommen wir stattdessen zurück zu den Unternehmen, die für die Initiatoren interessant sind. Sie haben es gerade schon angesprochen. In der Regel sind es junge Wachstumsunternehmen, die in ein SPAC schlüpfen. Mehr wissen die Anleger aber nicht, wenn Sie Aktien zeichnen?

#30: 03:57-0# [Altmann] Das ist richtig. Tatsächlich ist die Informationslage bei der Auflage eines SPAC extrem dünn. In manchen Fällen ist im Vorfeld zumindest bekannt, in welcher Branche das Zielunternehmen tätig sein soll. Wenn die Initiatoren im Vorfeld ein konkretes Unternehmen im Blick hätten, dann müsste das schon im IPO-Prospekt offengelegt werden.

#30: 04:15-6# [Bùi] Gibt es denn Branchen, für die dieser Weg besonders geeignet oder attraktiv ist? Und wenn ja, welche tun sich denn da hervor?

#30: 04:21-8# [Altmann] Den Ton geben jetzt sicherlich die zukunftsorientierten Branchen an. Im Einzelnen sind das Technologie, FinTechs, Biotechnologie, erneuerbare Energien und E-Mobilität.

#30: 04:32-1# [Bùi] Wir haben ja schon gehört, dass die Anleger dem Unternehmen auf der Hauptversammlung zustimmen müssen. Was passiert denn, wenn sie das nicht tun?

#30: 04:37-9# [Altmann] Ohne die Zustimmung der Hauptversammlung kann das Unternehmen nicht übernommen werden. Aber auch wenn es übernommen wird, müssen die Anleger, die nicht zugestimmt haben, den Weg nicht mitgehen. Diese haben dann die Möglichkeit, ihre Anteile am SPAC zurückzugeben. Beachten müssen diese Anleger jedoch, dass sie in dem Fall lediglich den Ausgabepreis zurückbekommen. Wenn sie schon bei der Erstausgabe oder zu einem späteren Zeitpunkt einen höheren Preis bezahlt haben, dann bleiben sie auf dieser Differenz als Verlust sitzen.

#30: 05:05-3# [Bùi] Okay, wie lange haben die Initiatoren denn Zeit ein geeignetes Unternehmen ausfindig zu machen?

#30: 05:10-9# [Altmann] In der Regel liegt der maximale Zeithorizont bei zwei Jahren. Sollten die Initiatoren bis dahin kein passendes Zielobjekt gefunden haben, wird der SPAC liquidiert.

#30: 05:19-2# [Bùi] Und kommt es häufig vor, dass kein passendes Unternehmen gefunden wird?

#30: 05:22-1# [Altmann] Die Frage lässt sich im Moment noch nicht seriös beantworten. Von den vielen SPACs, die 2020 ans Parkett gekommen sind, haben bisher 75 Prozent noch keinen Deal gemacht. Sie haben dafür aber auch noch mehr als genug Zeit. Klar ist aber, dass die SPACs längst keine Nische mehr sind und damit natürlich immer mehr SPACs gleichzeitig nach Zielobjekten suchen. Denn 2020 war in den USA mehr als jeder zweite Börsengang ein SPAC.

#30: 05:47-0# [Bùi] Und wie sind Perspektiven? Kann das in dem Tempo weitergehen?

#30: 05:50-4# Im Moment ist die Antwort darauf tatsächlich ja. 2020 hatten wir in den USA, Sie haben es eingangs angesprochen, etwa 250 SPAC IPOs. 2021 sind es jetzt schon 105. Bisher ist das Tempo also noch einmal deutlich höher.

#30: 06:05-9# [Bùi] Ja, das klingt schon ein wenig nach einem Hype. Worauf sollten Anleger achten?

#30: 06:09-7# [Altmann] Ein gewisser Hype ist sicherlich da. Das muss aber nicht per se negativ sein. Ganz entscheidend für den Erfolg eines SPAC sind zunächst einmal die Initiatoren. Diese müssen ein Unternehmen auswählen, es dann zu einem idealerweise nicht zu teuren Preis erwerben. Und dieses Unternehmen muss dann auch langfristig erfolgreich sein. Natürlich besteht gerade in einer späten Phase der Zweijahresfrist immer die Gefahr, dass entweder ein Unternehmen zweiter Wahl oder ein Unternehmen zu einem überteuerten Preis eingekauft wird. Anlegerinnen und Anleger sollten die Initiatoren also sehr gut kennen und von ihren Fähigkeiten überzeugt sein. Und genau deshalb hat die SEC erst kürzlich vor allem zu leichtgläubigen Investments in SPACs, an denen beispielsweise Prominente beteiligt sind, gewarnt.

#30: 06:52-3# [Bùi] Und gibt es noch weitere Risiken, auf die die Anleger schauen sollten?

#30: 06:55-6# [Altmann] Der tatsächlich gezahlte Preis spielt für die Anleger eine nicht unerhebliche Rolle. Denn der Ausgabepreis, den die Anleger bis zur Übernahme eines Unternehmens zurückfordern können, sollte ein gewisser Floor für den Kurs sein. Mit einem höheren Aufgeld steigen damit schon in der frühen Phase die Verlustrisiken.

#30: Und liegen schon Erfahrungswerte vor was die Renditen angeht, mit denen Anleger rechnen können?

#30: Bei einer Anlageklasse, die so schnelles Wachstum und gleichzeitig eine relativ kurze, belastbare Historie hat, ist das nicht ganz einfach. Aber schauen wir hier auf den iPod SPACS Index, der im Juni letzten Jahres ins Leben gerufen wurde. In den ersten fünf Monaten bis zum Jahresende hat der Index fast 50 Prozent zugelegt und damit auch den S&P 500 geschlagen. Im laufenden Jahr ist der zwischenzeitlich weitere 30 Prozent nach oben geklettert, konnte die Gewinne allerdings nicht halten. Per Saldo ist er jetzt wieder da, wo er auch am Jahresanfang stand, und damit ist er year-to-date hinter dem S&P 500 zurückgeblieben.

#30: 07:52-0# [Bùi] Da sind wir ja schon ganz nah bei unserem Kernthema, der Volatilität. Welche Volatilitäten sind mit SPACs verbunden? Und wie wirkt sich das auf das Auf und Ab an den Märkten insgesamt aus?

#30: 08:00-8# [Altmann] Anfangs wird die Volatilität, insbesondere bei fallenden Kursen, durch den garantierten Ausgabewert gebremst. Das ändert sich natürlich in dem Moment, in dem eine Übernahme vollzogen wird. Dann gelten die normalen Regeln und Kursbewegungen. Und wir wissen, dass Bewegungen bei Wachstumstiteln immer heftiger ausfallen als bei Bluechips. Und da wir mit den SPACs in einer deutlich früheren Wachstumsphase sind, müssen wir hier auch mit noch höheren Kursausschlägen und entsprechend höheren Volatilitäten rechnen. Wir können uns das ja gerne mal anhand des IPOX SPAC Index genauer ansehen.

#30: Sehr gerne. Was lässt sich denn noch erkennen?

#30: Die historische Volatilität über die letzten sechs Monate liegt hier bei knapp 33 Prozent. Dem steht eine S&P 500 Volatilität von 16,5 Prozent gegenüber. Die ist also gerade mal halb so hoch wie die der SPACS.

#30: Okay. Meinen Sie, das wäre auch etwas für Privatanleger?

#30: Bei SPACS investieren Anlegerinnen und Anleger in junge Wachstumsunternehmen. Entsprechend hoch sind natürlich die Renditechancen. Gleichzeitig droht immer auch ein Risiko bis hin zum Totalverlust. SPACs können auch für Privatinvestoren eine spannende Beimischung sein. Als Kern der Altersvorsorge sind sicherlich nicht geeignet.

#30: 09:09-4# [Bùi] Wie erwähnt ist der Trend in den USA entstanden und nun nach Europa herübergeschwappt. Welche Chancen bietet das den europäischen Börsen und hier insbesondere dem Finanzplatz Frankfurt?

#30: 09:17-6# [Altmann] IPOs sind für eine Börse immer eine Chance auf höhere Handelsvolumina und damit höhere Erträge gleichzeitig sorgen IPOs für Aufmerksamkeit sowohl von den Medien als auch von den Anlegern. Von daher sind SPACs sicherlich auch hierzulande sehr willkommen. Wir dürfen allerdings nicht vergessen, dass wir in Deutschland mit „Germany 1“ im Jahr 2008 bereits ein SPAC hatten. Dieses hatte damals AEG Power Solutions in den Mantel genommen. Und mit der Pleite des Unternehmens musste dann auch das SPAC von der Börse genommen werden.

#30: 09:46-9# [Bùi] Trotzdem scheinen die Anleger auch hierzulande jetzt positiv auf SPACs zu reagieren.

#30: 09:50-7# [Altmann] Das ist definitiv richtig. Im Februar ist Lakestar an der Frankfurter Börse gestartet. Lakestar hat 275 Millionen Euro eingesammelt. Geplant ist hier die Übernahme eines Technologieunternehmens mit großen Wachstumschancen. Bei der Emission war die Aktie achtfach überzeichnet, und der erste Kurs lag mit 11,15 Euro mehr als zehn Prozent über dem garantierten Ausgabepreis. Seitdem nähert sich der Kurs jedoch mehr und mehr der Marke von zehn Euro an.

#30: 10:17-4# [Bùi] Und die nächsten stehen ja auch schon in den Startlöchern.

#30: 10:19-6# [Altmann] Genau so ist es. Ganz aktuell strebt die European FinTech IPO Company 1 an die Börse, allerdings nicht in Frankfurt, sondern in Amsterdam. Einer der Initiatoren ist hier der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Commerzbank, Martin Blessing und Blessing betont eben, dass er einem europäischen Fintech damit Wachstumskapital über eine europäische Börse zur Verfügung stellen möchte. Eben damit diese Unternehmen nicht den Umweg über die USA gehen müssen. Geplant sind hier 415 Millionen Euro. Und insgesamt sprechen wir bei den neu auf den Markt kommenden deutschen SPACS über ein Volumen von 2 Milliarden Euro.

#30: Aber global sind die Dimensionen ja noch viel größer.

#30: Auch das ist vollkommen richtig. In Asien soll gerade die Firma Grab aus Singapur in einen SPAC-Mantel schlüpfen. Grab bietet Essenslieferungen und Fahrdienstleistungen an und hier sprechen wir über eine Bewertung von 40 Milliarden Dollar. Damit wäre Grab die wertvollste Firma in einem SPAC.

#30: 11:14-6# [Bùi] Welches waren denn die, entschuldigen Sie das Wortspiel, „spactakulärsten“ SPACS in der Vergangenheit?

#30: 11:19-7# [Altmann] Da gibt es viele spannende und spektakuläre Geschichten, positive und auch negative. Und wenn wir das Wortspiel weitertreiben wollen, können wir Virgin Galactic sogar als galaktisch bezeichnen. Virgin Galactic ist im Weltraumtourismus tätig und kam über einen SPAC an die Börse. Aus dem IPO-Preis von etwa zehn Dollar wurden zwischenzeitlich fast 63. Aktuell sind es um die 30. Noch weiter nach oben ging es für den Mantel der QuantumScape, einen Hersteller von Batterien für Elektroautos, übernommen hat. Zeitweilig hat QuantumScape den Anlegern ein Plus von mehr als 1000 Prozent beschert. Das brandaktuelle spektakuläre Beispiel ist WeWork. Nach dem gescheiterten direkten Börsengang soll der Büroraum-Vermieter jetzt mit einer Bewertung von 9 Milliarden Dollar über einen SPAC an die Börse kommen. Und wo viel Licht ist, ist natürlich immer auch Schatten. Negativ sticht die Story um das Unternehmen Nikola, das auf Wasserstoff-Trucks spezialisiert ist, heraus. Der Kurs ist letztes Jahr von 10,50 US-Dollar auf 94 US-Dollar angestiegen, das waren fast 800%. Im Anschluss sorgten Betrugsvorwürfe und Attacken von Shortsellern für einen Rückgang bis auf 13,50 USD.

#30: 12:28-7# [Bùi] Na, dann müssten die Anleger im Einzelfall genau hinschauen. Vielen Dank, Herr Altmann, für diesen Einblick in das, gar nicht so neue aber nun aufsehenerregende, Börsenvehikel SPAC. Und ich bedanke mich bei unseren Zuhörerinnen und Zuhörern für Ihr Interesse. Und dann noch ein Hinweis zum Podcast 7 Tage Märkte, die Wochenvorschau der Börsen-Zeitung. Da diese Arbeitswoche mit dem Karfreitag endet, wird die neue Folge ausnahmsweise morgen schon, also am Gründonnerstag um sieben Uhr morgens erscheinen. Zu hören auf allen gängigen Podcast-Plattformen. Weitere Informationen dazu finden Sie in den Shownotes. Und in zwei Wochen kommt die nächste Episode von Hashtag Volatility, dann wieder mit meiner Kollegin Christiane Lang und einem anderen, ganz sicher wieder spannenden, Thema. Bis dahin wünsche ich Ihnen, Herr Altmann, sowie auch unseren Zuhörerinnen und Zuhörern ein gesegnetes Osterfest. Weiterhin alles Gute.

#30: 13:13-3# [Altmann] Auch von mir frohe Ostern und bleiben Sie gesund.